Die Bibliothek der Galvanotechnik ist eine Literatursammlung der Riesmetall GmbH in Nördlingen. Gesammelt werden Bücher, Lehrwerke, Kataloge und Fachzeitschriften über die Galvanotechnik und angrenzende Themen. Der Sammlungsbestand umfasst gegenwärtig über 1000 Werke in 12 Sprachen, zumeist natürlich auf deutsch, von den Anfängen der Galvanotechnik in der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute. Anders ausgedrückt: fast 30 Regalmeter sind nötig, um diese Menge Galvanowissen geordnet unterzubringen, das entspricht 5 wohlgefüllten Aktenschränken.
Begonnen hat alles mit einem Zufallsfund im Jahr 1980. Während eines Urlaubes in Wales hat Joachim Ramisch, der Inhaber von Riesmetall, beim Stöbern in einer antiquarischen Buchhandlung ein bemerkenswertes Buch entdeckt: „Theory & Practice of Electro-Deposition“, verfasst von G. Gore um etwa 1856! Für nur vier englische Pfund wurde das Werk aus der galvanotechnischen Frühzeit erworben und war zunächst nur ein schönes Souvenir.
1983 allerdings, nun im Urlaub in Portugal, blieb der Blick des angehenden Sammlers schon wieder an einem alten Galvanik-Buch in der Auslage eines Antiquariates hängen. Diesmal war es sogar ein richtiges Juwel mit einem herrlichen Jugendstil-Einband: „Manual de Galvanoplastia“ von A. Brochet, ohne Jahresangabe, aber wegen der Jugendstil-Dekoration vermutlich um 1900.
Jetzt war der Jagdinstinkt geweckt, ein dritter Fund in Berlin im Jahr darauf war kein Zufall mehr. Über 50 Leuze-Fachbücher waren aus einem Nachlass in ein Antiquariat gelangt, ein schneller Zugriff sicherte den Grundbestand der ab diesem Zeitpunkt immer weiter wachsenden „Bibliothek der Galvanotechnik“. In der Zeit vor dem Internet bedeutete dies unermüdliches Studieren von Antiquariats-Katalogen und die Suche nach antiquarischen Buchhandlungen auf jeder Reise. Immerhin kamen auf diese Weise nach und nach 500 Werke zusammen.
Doch dann eröffneten sich die damals unglaublichen Möglichkeiten des Internet und Joachim Ramisch war bald bewusst, dass damit eine historisch einmalige Situation eintrat. All die vielen Galvanik-Bücher, die bisher irgendwo ihrer Entdeckung entgegen schlummerten, würden nun in kurzer Zeit alle gleichzeitig auf den Markt kommen. Jetzt zugreifen oder nie hieß da die Devise und das Kalkül ging auf. In wenigen Jahren konnte die Sammlung verdoppelt werden, aus der ganzen Welt machten sich Bücherpakete auf die Reise nach Nördlingen.
Gegenwärtig klingt dieser Einmaleffekt ab, es tauchen kaum noch Bücher auf, die nicht schon im Bestand sind und die Preise steigen. Jetzt geht es an die Verfeinerung der Sammlung, mäßige Exemplare werden durch bessere ersetzt und jedes Werk soll natürlich in jeder Auflage vorhanden sein. Außerdem gibt es bestimmt noch einige Exoten aus fernen Ländern, deren Existenz bisher unbekannt ist!
Warum aber überhaupt noch Bücher sammeln? Sind Bücher als Datenträger nicht völlig überholt, umständlich in der Handhabung, platzgreifend und teuer in der Lagerung?
Bedenken wir die Vorteile von bedrucktem Papier als Datenspeicher:
- Hohe Haltbarkeit über Jahrtausende bekannt
- Direkt lesbar ohne Hilfsmittel
- Manipulation des Inhaltes kaum möglich
- Herkunft und Kompetenz der Autoren überprüfbar
Elektronische Datenspeicher haben dagegen entscheidende Nachteile:
- Die Dauer der Haltbarkeit elektronischer Datenspeicher ist unbekannt
- Die Dauer der Verfügbarkeit und Funktionstüchtigkeit der Lesegeräte ist unbekannt
- Die Speicherung in einer „internet-cloud“ ist manipulierbar, zensierbar und nicht garantiert
Wenn das über Generationen erworbene Fachwissen vor Verlust gesichert werden soll, sind Bücher auch heute noch eine sinnvolle Möglichkeit der Bewahrung. Es kommen allerdings weltweit immer weniger Fach- und Lehrbücher heraus, aktuelles Galvano-Praktikerwissen wird kaum noch systematisch aufbereitet und verteilt. Beginnt ein Rückfall in die Zeit vor der Erfindung des Buchdruckes, als niedergelegtes Wissen nur in kostbaren Handschriften existierte und nicht allgemein zugänglich war?